Das Auge hört mit

Vom Ergebnis zum Erlebnis

Unsere Sinne sind keine Einzelkämpfer. Sehen, Hören, Riechen, Tasten und Schmecken liefern zwar unabhängige Informationen, aber spätestens unser Gehirn macht daraus ein kombiniertes Gesamtergebnis: unser Sinnesurteil.

Wie unterschiedlich solche Urteile ausfallen können, haben wir schon erlebt: Manches Top-Model kann für uns nicht mehr schön sein, nachdem wir seine Stimme gehört haben. Der Wein, der uns in der malerischen Bodega verzückt hat, schmeckt zu Hause völlig belanglos. Das hochattraktive Design-Handy aus dem Katalog fühlt sich in unseren Händen an wie der letzte Ramsch. Besonders das Sehen hat in unser vordergründig visuellen Welt einen riesigen Einfluss auf unsere Erwartungshaltung. Das gilt auch für akustische Erwartungen, die aus unserem Klanggedächtnis gespeist werden: Ein gekacheltes Bad mit dem Klang von Omas Schlafzimmer wäre eine große Überraschung, ein wohlfühlfarbenes Design-Wohnzimmer mit dem Klang einer Bahnhofshalle eine heftige Enttäuschung.

Noch interessanter für uns Raumakustiker ist der Umkehrschluss: Erst wenn auch das optische Ergebnis unserer Arbeit stimmt, wird der neue Raumklang wirklich zum Erlebnis. Die Kunst besteht darin, die visuelle Erwartung der Raumnutzer zu treffen. Und hier scheiden sich die Geister. Für die Einen müssen wir nahezu unsichtbar arbeiten, Andere betrachten Akustikeinbauten als Teil einer neuen Möblierung. Viele Highend-Musikfreunde wiederum gewinnen erst aus der bewusst unverfälschten Ästhetik von Absorbern, Diffusoren und Resonatoren das nötige Raumvertrauen. In jedem Fall gilt: Ein guter Akustiker ist immer auch ein visueller Raumgestalter.

Eines allerdings sollten wir uns nicht einbilden – dass es bei perfektem Design nicht mehr auf die akustische Wirkung ankommt. Diesen Trugschluss macht unser Hörsinn nicht mit.